Aufhören.
Nicht alles was leise
ist erträglich
Münder machen
mehr und mehr zunichte
die lauten Bilder bleiben
die Blicke töten können
das Auge verlangt
wider und wider Sprüchliches
die Ohren legen
Scheuklappen an.
mb 25.04.2022
So nah am Boden
Ungeheures geschieht
(wenn man's so sieht)
türmen sich die Götter im Wolkenhimmel
zürnen den Stirnen am Boden
hinter denen Kriege toben
gegen ihresgleichen
Tiere weichen
werden allesamt zu Wasserläufern
fliehen übers Land in Untergänge
ohne Ausweg
kein Prophet war klüger
als wir selbst
niemals war es jemals klarer als jetzt
so nah am Boden.
mb 21.08.2024
Unruhe vor dem Sturm
Nachts fällt das Ungewisse in den Raum
kaum unterscheidet sich die Wirklichkeit
vom Traum wenn alles dunkel ist
und heitre Himmel schwinden
kein Sturm der draußen tobt
treibt die Gedanken aus
die hinter Augenlidern Kreise ziehn
bevor sie keine Ruhe finden
mb 10.07.20.24
Wenn du mich fragst ...
wie geht es dir
fühlst du dich oft
und vor allem im eigenen Kopf
zu Hause hörst du des Morgens
bei offenen Fenstern der Vögel
Gesänge und ihren Dialogen zu
sage ich dir
ich fühle mich oft
so neben dem Sächlichen zwischen
den Dingen fern den Menschen
und nah den Tieren wenn sie
mir plötzlich begegnen
dann bin ich und schaue
wie sie mich ansehen
sehe mich in ihren Augen
in Facetten bunt oder grau
wie alle Katzen bei Nacht
nicht das Rot meiner Lippen
doch mein blasses Gesicht
Umrisse des Faltenwurfs
meines Kleides
und einen Lidschlag lang
dass ich eine von ihnen bin
eine kurze Begegnung im Jetzt
ein Wirksame ihres Augenblicks
mb 24.05.2022
Aufhören.
Nicht alles was leise
ist erträglich
Münder machen
mehr und mehr zunichte
die lauten Bilder bleiben
die Blicke töten können
das Auge verlangt
wider und wider Sprüchliches
die Ohren legen
Scheuklappen an.
mb 25.04.2022
Generationen.
In dem großen alten Haus
steht die Zeit nicht still
Mütter haben hier gelebt
mit Kind und Kindeskindern
manche wie Mägde
Tiere im Stall
die Überleben garantierten
Väter kamen nicht mehr heim
Brüder und andre nahmen
ihre Stellen ein
mein Puls weckt Bilder auf
klopft Türen aus den Angeln
Erinnerungen Raum für Raum
greifen nach mir
und durch ein Fenster sehe ich
den alten Apfelbaum
der Jahr für Jahr noch Früchte trägt
als sei nichts faul
an der Geschichte
die Jahr für Jahr Generationen prägt.
MB 2021
Hingabe geschieht.
Vorübergehendes bleibt
an mir hängen
die Wildblütenstäube
in den Falten meines Kleides
hautzarter Stoff
am eigenen Leib
zu erfahren was geschieht
dreh ich mich im Wind
in meine Himmelsrichtung
die Hierseits ist
eine Wimper hält
den Regentropfen
für eine Träne. zu schwer
wird er zum Rinnsal
auf meiner Wange
wohin fließe ich
wenn alles fließt
und meine Fragen bleiben
MB 2021
Neben an Neben.
Im Haus nebenan brennt
in einem Zimmer
die ganze Nacht Licht
am Tag ist das Fenster
besonders dunkel
manchmal erscheint dahinter
ein blasses Gesicht
es schaut in das Haus nebenan
und spricht
eine Zeichensprache
die man dort nicht versteht.
MB 2021
Video zum Gedicht Neben an Neben:
Sinnfragezeichen.
Die ersten Zweifel im neuen Jahr
speist der lautlos fallende Schnee
und das sich munter vergnügende Krähenpaar
auf dem hauchdünnen Pfützeneis
Schwarz auf Weiß sehe ich das Treiben da draußen
und die Zeichensprache der freien Natur
doch ist das Beweis für einen Sinn
oder bin ich selbst auf der falschen Spur?
denn der Schnee bleibt nicht liegen
die Vögel fliegen
mir aus den Augen
und weg vom Fenster ist die Szene verschwunden
wer weiß - vielleicht seh ich auch nur Gespenster?
MB 2021
Letzte Sommertage. Draußen
Vor zwei Augenpaaren
sticht ein Insekt ins Getränk
Sonnenlicht schimmert
auf dem zitternden Nass
im Wasserglas
ein hungriger Gast
blickt hoch ins Ahorndach
aus dem sich ein Blatt verirrt
in den gemischten Salat
vor seinem Mund ohne Schutz
die Schnecke Zeit kriecht
auf leisen Sohlen
dem Abstand entgegen
der zwischen Tischen und Bänken
verhohlen weilt.
MB 2020
Ein Verbleiben.
Jeden Abend um die gleiche Zeit
geht sie durch eine Hintertür
in die Vergangenheit
bleibt lange dort
bis sich der erste Sonnenstrahl
in ihrem Haar verfängt
zurück in ihren Räumen
sieht sie durchs Fenster ihren Träumen nach
gibt sich für einen Augenblick dem Abschied hin
und summt darin das immerselbe Lied.
MB 2020
Es kann sein
dass es eines Nachts Tag wird
sowie der Sommer bereits
im Frühjahr beginnt und der Herbst
erst im Winter.
Es kann sein
dass unsere Haut
stetig dicker wird
weil uns Heißes zunehmend kalt lässt.
Gegenwarten wir ab
was da alles durch uns
selbst auf die anderen zukommt
die nicht mehr nachkommen können?
MB 2019
Alles ist ein Mehr aus Worten.
MB 2018
Stirndunkeln.
Bei Anbruch der Dunkelheit
erstiegen wir die Sternwarte
noch auf der Wendeltreppe
war ein Schwindel spürbar
das Immerfort als Bewegungsmittel-
weg vom Boden nach ganz oben
durch den Spalt der Kuppel
drangen längst vergangene Ewigkeiten hinter unsere Stirn
im Stillstand auf kleinstem Raum
wurden wir willkürlich zu Geduldigen
sahen die Gestirne ganz weit oben
spürten das Schweigen der Zeit
und im Restlicht unsere Unzulänglichkeit.
MB 2018
Absichtslos.
Heute ging ich immerfort
mitten am Tag stand nur
die Sonne und die Lerche
über ihrer Brut
lärmte eine Dauerarie
ein Weg von vielen
führte mich zum Wiesenhang
dort blökten Schafe im Chor
ich trug Immergrün
auf den Lidern
und ein Muttertier
säugte seine Jungen
das Sehen wurde auf einmal
wie Gold durch die Rapsblüten
trat ich mir einen fußbreiten Weg
krümmte ohne Absicht
nur einen Halm
was daraus wird
und aus allen
diesen vielen Feldern und Wiesen
das zu erwägen
umging ich heute.
MB 2014
Sichtbildner.
Sehe Gesichter im Baum
zwischen Wind und Stille
hackt einem eine Krähe ein Auge aus
ein anderes lacht
hat Blüten im Haar
immer weiter geht es
in Wachstumsschüben
die nie enden
wenn keiner das Urteil fällt
finden meine Augen
was sie erfuhren
täglich Gesichter
das eigene nicht
und Wind kommt auf
bewegt meinen Blick
bläst mir ins Gesicht
dass alles verschwimmt
zu einem Baum
den ich noch nie gesehen habe
Veränderung treibt mir Bilder aus
andre deutlich voran
jetzt ist es ein Zweig
er wiegelt Blätter auf
dort grün hier weiß
auf meinem Tisch
bietet sich offenbar die Gelegenheit
mich nicht aus den Augen zu verlieren.
MB 2011
Sieben Atemzüge.
Ich fülle meine Lungenflügel
mit sieben tiefen Atemzügen
lasse meine Schwere los
du kannst meiner Richtung folgen
mich am Flügelschlag erkennen
deine Zunge lösen
meinen Namen und mich Mädchen nennen
augenblicklich wirst du
ein weiser Mann
der nicht lügen kann
weiß Gott
den es nicht gibt
ob mein Puls der Schmerz der Zeit ist
der vergeht.
MB 2010
Sieben Murmeln.
Wir murmeln mit sieben Glaskugeln
du liest Federn auf
wir üben Federball
für den freien Fall
ich zaubre bunte Bänder
und werfe Schlangen in die Luft
damit fesseln wir einen Ballon
an unsre Fußfesseln
lassen alle Leinen los
und uns wie Drachen steigen
in dem Augenblick
wenn uns nichts mehr stört
was uns selbst gehört
und uns nichts beschwert
fliegen wir uns frei.
MB 2010
Kopflose Zeitform.
Knöchern ist sie
die zarte Decke
die einen Kern verbirgt
und Namen von Namenlosem
fest verhüllt
das Unermessliche
das nie Gesagte
wandelt darin
auf freien Füßen
wirbt um des Innenohres Augenmerk
verurteilt ist die Schale
die diesen Kern enthält
zur Endlichkeit
ist die Gefangenschaft vorbei
indem sie birst
zersplittert
löst sich das Unvergängliche
befreit
aus jeder Zeit.
MB 2009